„Kommt – jetzt!“

Eine wahre Geschichte von grenzenloser Begeisterung, höchster Kreativität, einem rasenden Golf, bunten Flecken am Himmel und blinkenden Pokalen.

Oder: Wie es mit dem Springen beim MFC Brilon begann und weiterging. Erzählt von D. Hülshoff

März 1979: Monatstreffen der Aktiven des MFC im „Thülener Bahnhof“.

Hier trafen wir uns zum Klönen, wenn an Fliegen nicht zu denken war. In den Monaten davor hatte uns Josef gezeigt, wie man Styropor-Balsa-Flächen repariert, mit Glasfaser verstärkt, spachtelt und schleift.

„Ne Menge Sauerei“, fand die Wirtin und so war´s nix mehr mit „Basteln am Tresen“.

Thema: Was gab´s denn so in letzter Zeit Interessantes in der FMT?

In einer der Ausgaben gab es einen Bericht über einen ferngesteuerten Modellfallschirmspringer. Und einen Bauplan dazu auch. Das war doch mal ´was Neues!

Bei der Bundeswehr hatte ich über 30 Absprünge mit dem T10 gemacht. Fallschirmspringen war ´ne tolle Sache. Aber so ein Fallschirm war enorm teuer und jeder Sprung kostete extra.

Aber als Modell? Das wär´s doch. Viele Fragen tauchten auf: „Wie soll das gehen? Kann man den echt steuern? Wie kommt man an einen Schirm?“

Josef konnte sich dafür begeistern und so war ein neues Projekt geboren.

Es sollte das Vereinsleben nachhaltig verändern.

Schnell war eine Arbeitsteilung besprochen. Josef wollte zwei Schirme nähen und ich sollte zwei Springerpuppen bauen. Nachdem mir der erste Holzrumpf irgendwie nicht gefiel, wurde umdisponiert. In der Schreinerei meines Onkels wurden Bretter zu Klötzen verleimt, mit Bandsäge, Feile und Schleifpapier in Form gebracht. Einer Puppe wurde der Kopf amputiert, die Locken weggespachtelt und das Ganze abgeformt.

So nach und nach entstanden 5 weitere Formen für Rumpf, Arme und Beine. Epoxi wurde in großen Mengen verbraucht und irgendwann war der erste Springer fertig. Arme und Beine waren aus einem dunklen PU-Schaum geschäumt und etwas verstärkt.

Das Gesicht hatte etwas Seltsames. Kulleraugen und Pausbacken. Das war doch kein kerniger Fallschirmspringer! Also Gesicht wegschleifen, aus Kinderknete ein neues modelliert und abgeformt. Schon besser.

Inzwischen hatte Josef aus Futterseide einen bunten Schirm genäht. Ein Packsack aus weichem Leder und ein Anzug komplettierten den Springer.

Laut Bauplan sollte die Schirmöffnung durch Herunterziehen des rechten Armes geschehen. Aus eigener Erfahrung wusste ich, dass eine Schirmöffnung mit einem starken Ruck geschah. Das sollte ein winziges Servogetriebe aus Plastik überstehen? Bei den Hebelarmen? Niemals!

Eine andere Lösung musste her. Aus Aluminium, Stahlblech und etwas Kunststoff wurde eine Mechanik gebaut, die den Schirm erst dann öffnen sollte, wenn beide Arme einmal ganz herunter und wieder nach oben bewegt wurden. Die saß zwischen den beiden Armservos und betätigte den Packsacköffner.

Aber wir hatten noch ein viel größeres Problem. Wir kamen erst gar nicht an den Himmel.

Der Rauswurf aus dem obersten Dachbodenfenster war nicht so erfolgreich gewesen. In der Nähe von Rösenbeck fanden wir einen Steinbruch mit fast 30 Meter hohen Klippen.

Josef stand ganz oben, rief „kommt – jetzt“ und mit Schwung kam der Springer über die Felskante gesaust. Arme runter, Arme rauf, der Schirm ging auf. Der Wind trieb den Springer direkt auf die Steilwand zu und genau auf halber Höhe blieb er hängen. Doch wir hatten vorgesorgt.

Mit einer Art Angelhaken und einer sehr langen Leine konnten wir unseren Springer retten.

Weiter ging´s. Schirm packen, ein sehr langer Fußmarsch auf die oberste Klippe und dann mit noch mehr Schwung . Arme runter, Arme rauf – – – Arme runter, Arme r. – Aufschlag.

Bilanz: Springer zertrümmert, Empfänger defekt, Servogehäuse gerissen.

Ursache: mit einen Stückchen Klettband war der Packsack verschlossen. Die zu den Beinen gespannten Gummis waren nicht stark genug gewesen um das Klettband zu lösen. Also Klettband weg und auf zu neuen Versuchen.

Unser Vorsitzender hatte unsere Bemühungen interessiert verfolgt.

Dann stand er eines Tages mit einem Big Lift auf dem Platz. Zwei Mann aus dem Nachbarverein hatten den gebaut. Ein Quadra-Motor drehte den Propeller. Eine kurze Umbaumaßnahme und der Big Lift konnte einen Springer transportieren.

Fast hundert Absprünge brauchten wir, bis der Schirm eingestellt war, etwas nach vorn flog und dazu sogar steuerbar war.

Der erste Futterstoffschirm war sehr schwer und eigentlich nur ein „Plumpssack“.

Bis zwei Uhr nachts leuchteten in Josef´s Werkstatt die Lampen. Ein neuer Schirm wurde genäht. Aus Rippstopgewebe. Das war leichter und nicht so luftdurchlässig. Der flog schon viel besser, machte beim Öffnen laute Geräusche, aber endlich auch mehr Vorwärtsfahrt.

Im April 82 stand es in der FMT: Otto Schulze aus Dreieich hatte alle Interessierten für den 8. und 9.Mai zur „Ersten Deutschen Meisterschaft in Modellfallschirmspringen“ nach Hühnfelden-Kirberg eingeladen.

Unser Big Lift stand mit Motorschaden auf dem Dachboden, Josef´s Jodel war noch lange nicht fertig. Trotzdem: Auf nach Kirberg! Josef hatte am Samstag lange gearbeitet und so kamen wir erst später als geplant am Sonntagmorgen los.

Richtung südsüdwest, quer durch´s Sauerland. Bergauf, bergab, Kurve rechts und zweimal links und dann mit Volldampf bis zur nächsten Ortschaft. Josef gab seinem blauen Golf ordentlich die Sporen.

Sauerland, Land der tausend Berge? Ne, Land der zehntausend Kurven. Wir waren noch lange nicht in Kirberg und ich schon so seekrank wie nie zuvor.

Der Wettbewerb war in vollem Gang, als wir auf dem Römberg ankamen. Exotische Modelle gab es zu bestaunen. Mit trennbaren Rümpfen, um sie besser transportieren zu können. Bei einem verschwand der Springer sogar komplett im Rumpf. Angetrieben von den üblichen Glühzündern, meist etwas schwach auf der Brust, schraubten sie sich endlos lange auf Höhe.

Als Gastspringer ohne Wertung machten wir jeder 3 Sprünge. Zweimal ging´s in den Acker. „27 MHz, das funktioniert hier nicht“ klärte uns Norbert Kern auf.

Neues Ziel: 35MHz-Anlage kaufen und extra Öffungsservo einbauen.

Mit der unterschiedlichen Verzögerung nach dem Öffnen des Packsackes bis zur vollständigen Entfaltung des Schirmes, bedingt durch den im Windschatten des Springerrumpfes liegenden Hilfsschirm, waren wir auch noch nicht zufrieden.

Otto Schulze verwendete einen Hilfsschirm mit eingebauter Druckfeder. Aber immer funktionierte das auch nicht zuverlässig. Das musste doch noch anders gehen.

Viel telefoniert haben wir, der Josef und ich. Unsere Frauen schauten uns schon komisch an. Denn bisher war es doch ihr Privileg gewesen, länger als eine Stunde miteinander telefonieren zu können.

Irgendwann war sie geboren, die Hilfsschirmschleuder. Anfangs mit Klebeband unter die untere Packsacklasche geklebt wurde sie getestet. Das ging, und wie das ging! In weniger als einer Sekunde war der Schirm jetzt geöffnet.

Bestand die größte sportliche Herausforderung bisher darin, mit einem Zweiachstrainer im 45°-Winkel den Schutzzaun anzufliegen und die 90°-Kurve so genau zu platzieren, dass die Räder über dem Maschendraht abrollten, gab es jetzt etwas Neues.

Springer mitten über dem Platz absetzen und so lange fallen lassen bis man das Weiße in seinen Augen sehen konnte. Nach kurzer Zeit lag der Rekord für die späteste Schirmöffnung bei einer Höhe von einemmeterfünfzig über Grund.

Den wollte dann keiner mehr knacken.

Inzwischen hatte Josef kräftig in´s Hobby investiert. Die Jodel Robin „Remorqueur“ (wie Likör am Ende), brachte die ersten Springer nach oben. Und einige Vereinsmitglieder klebten und schraubten auch an Springern herum.

Dann stand er fest: Der Termin für die Zweite Deutsche Meisterschaft im August 83 in Kirberg. Dieses Mal hatten wir uns angemeldet. Mit 35MHz-Anlagen, 3 Servos im Rumpf, einem präzisen Mehrfachauslöser und einem Schirm der auch flog, ging´s nach Kirberg.

Michael Kohlhase war auch schon dabei. Ganz genau analysierte er die Sprünge der Mitbewerber, erkannte deren Fehler und wusste immer ganz genau, wo gerade die beste Absprungposition war.

Alles klappte. Keine Funkstörung, keine Fehlöffnung und ganz oft den Kreis getroffen. Am Abend gab es dann das offizielle Ergebnis: „Dieter Hülshoff, zweiter Deutscher Meister“ verkündete Norbert Kern. Wer strahlte jetzt mehr, der blank polierte Pokal oder das Briloner Team. Ich glaube, die Briloner waren´s.

Abends dann die Feier im Zelt mit Life-Musik, Tanz und allem was da sonst noch zugehört. Am nächsten Morgen dann laute Musik, Lautsprecherdurchsagen und Motorengebrumm. Der Modellflugtag begann. Noch mit leichter Fehlsichtigkeit brachten wir uns mit unseren Klappstühlen am Schutzzaun in Position. Zuhause dann großer Jubel, Glückwünsche und ein stolzer Vorsitzender.

Im nächsten Frühjahr zu Pfingsten folgte ein Auftritt beim Tag der offenen Tür des Luftsportvereins Brilon. Meine Landung gelang nicht auf dem Rasen; ein wenig daneben auf dem Rollfeld. Eine manntragende Maschine gab gerade mächtig Gas und saugte den Springer an. Der Schirm war zerfetzt, der Springer selbst mehrfach zerteilt.

Ein echter Fallschirmspringer hatte alles genau verfolgt und sprach uns an. „Näht eure Schirme doch aus richtiger Fallschirmseide, F111,“ meinte er und gab uns eine Adresse, wo wir die kaufen konnten. Doch erst mal hieß es wieder: harzen, kleben, schrauben, Schirm reparieren.

Der nächste Rückschlag folgte. Bei der Remorqueur hatte das Höhenruderservo dem Druck des Pendelleitwerkes nachgegeben und das Modell zerschellte an der Platzgrenze.

Kurz darauf ging es auf nach Delbrück. Der Fallschirmservice Glose hatte hier sein Zuhause und wir wollten Fallschirmseide kaufen und uns mal das Profil eines echten Schirmes genau anschauen. Große Zurückhaltung bei Herrn Glose.

Erst als wir unseren Springer hervorholten, nahm er uns mit nach oben und wir konnten einen großen Schirm ausmessen und ansehen. Mit etlichen Metern Fallschirmseide ging es zurück nach Brilon.

Der Mittwochnachmittag gehörte jetzt den Fallschirmspringern. Es wurde fleißig geübt. Eines Abends, wir hatten schon die Springer weggepackt und waren zum gemütlichen Teil übergegangen, fuhr die Polizei auf unseren Platz. Sie fragten nach dem Vorsitzenden. Der saß auf der Bank und genoss die Abendsonne. „Uns liegt eine Anzeige vor, hier sollen Fallschirmspringer gelandet sein,“ erklärte der Polizist.

„Ja, das stimmt.“ Franz-Josef konnte sich das Lachen kaum verkneifen. Wir mussten erst einmal unsere Modelle vorführen. Sichtlich begeistert und amüsiert fuhren die Grün-Weißen dann zurück.

Josef hatte die Springer weiter verfeinert. Springerstiefel aus allerbestem Leder mit elastischer Fußspitze und weicher Sohle. Ganz sanft konnten die Springer jetzt aufsetzen. Eine echte Meisterleistung.

Hektische Aktivitäten in Josef´s Bastelraum. Schleifgeräusche drangen nach draußen, der Geruch von Verdünner durchdrang das ganze Haus. Das Kunstflugmodell, was Jo eigentlich bauen wollte, wurde wieder verkauft. Ein Schlepper musste her. So entstand eine Wilga mit 60ccm-King-Motor.

In meiner Bude entstanden zwei weitere Springer. Ersatzspringer. Konnte ja immer mal was passieren. – Wir haben sie aber nie gebraucht.

Rechtzeitig zur dritten DM war eine Elektronik fertig geworden. Sie kontrollierte die Empfängerausgänge, beinhaltete eine Fail-Safe-Funktion, öffnete bei Störungen den Schirm und fuhr gleichzeitig die Arme hoch. Ade, ihr Getriebeschäden.

Eine Schirmöffnung war erst eine Sekunde nach dem Absprung möglich, damit der Springer genügend Abstand zu dem Schleppmodell gewinnen konnte.

Und es ergaben sich neue Möglichkeiten. Mit dem Schleppmodell den eigenen Springer hochschleppen und anschließend beide steuern. Das ging jetzt. Und zwar so:

Springer auf Höhe bringen und ausklinken. Der Springersender blieb aus. Die Elektronik öffnete den Schirm und die Schirmvorbremsung ließ ihn fast ohne Fahrt in großen Kreisen schweben. Mit dem Schleppmodell im Sturzflug zum Platz zurück, landen, Motor und Anlage aus. Jetzt den Springersender einschalten, Vorbremsung lösen und ganz normal weiterfliegen.

Und noch etwas ging: Zwei Springer gleichzeitig mit nur einer Fernsteuerung über die gleichen Kreuzknüppel steuern. So geht´s: Beide Springer gleichzeitig absetzen, Schirme öffnen. Den Öffner des ersten Springers betätigen, dessen Arme fahren hoch und jetzt den zweiten Springer steuern. Dann genau umgekehrt verfahren und den ersten Springer steuern. Immer abwechselnd gesteuert gelangten so beide Springer zum Ziel.

Dann waren auch die neuen Schirme fertig. Mit dem weicherem F111 und geringerem Packmaß auf zur Dritten DM wieder nach Kirberg.

Eine DM der nassen Füße. Fast die ganze Zeit hatte es geregnet. Nur einen Durchgang hatten wir geschafft. Und das Ergebnis: 2 Briloner auf dem Treppchen. Josef auf Platz 2 und Michael Kohlhase auf Platz 3. Aber es gab ja noch gab einen weiteren Termin.

Peter Blommaart aus Belgien hatte für den 6. und 7. Oktober zum Europa-Cup-Springen nach Chapellois eingeladen.

Auf nach Belgien. Matschige Feldwege mit riesigen Schlaglöchern empfingen uns. Doch der Platz war groß, es gab ein Clubhaus mit Theke, hervorragenden Kaffee und viele nette Leute. Und die gebratenen Hähnchen zu Mittag ließen dann keine Wünsche mehr offen.

Die Fa. Robbe hatte einen Modellfallschirmspringer herausgebracht. „Charly“ bestand aus einem geblasenen Körper, die Arme waren direkt auf die Servoscheiben geschraubt. Wurde der rechte Arm herunter bewegt, öffnete sich der Verschluss der Packwanne. Kam uns irgendwie bekannt vor.

Charly war ein hervorragender Bodenturner. Er konnte Liegestütze machen und einen Kopfstand. Und es gab sehr, sehr viele von ihnen.

Fa. Robbe war mit einem mannstarken Team und schönen Schleppmodellen angetreten. Minute um Minute wurden Charly´s auf Höhe gebracht. Eine wahre Materialschlacht begann. Am laufenden Band wurden Servos getauscht. Am Nachmittag stand dann der Sieger fest. Kein Robbe Charly.

Dafür helle Begeisterung bei unserem Vorsitzenden. Ein weiterer Pokal trat den Weg nach Brilon an.

1985 dann die vierte DM, wieder in Kirberg. Eine DM mit echtem Nervenkitzel.

Ein Schirm hatte sich unter einem Schleppmodell gelöst, sich im Leitwerk verfangen. Voll aufgebläht bremste er das Schleppmodell aus. Absturz, Schlepper zerstört.

Auch Josef hatte es erwischt. Gleiche Ursache, aber der Schirm war nicht ganz auf und der Springer pendelte am Höhenleitwerk herum. Nervenstark, wie er nun mal ist, gelang ihm noch eine Landung ohne größere Schäden.

Von da an lief die DM sehr schleppend. Unsere Springer hatten von Anfang an einen Sicherheitsschalter, der über eine Reißleine den Springer erst beim Absprung einschaltete. Nach diesen Vorfällen wurde ein Schalter mit Reißleine oder eine Sicherheitsschlaufe, die den Packsack geschlossen hält, zur Teilnahmebedingung.

Das Ergebnis der DM war dann auch wieder weniger beunruhigend. Der oberste Platz auf dem Treppchen gehörte mir. Ein weiterer Pokal ging nach Brilon.

Im Nachbarverein hatten die Erbauer des Big Lift ein neues Modell auf Kiel gelegt. Riesengroß, Rumpf aus Stahlrohren gelötet, angetrieben von einem 100 ccm-Boxermotor und Platz für 6 Springer im Rumpf. Eine 70 cm lange Klappe gab die Springer zum Absprung frei. Ein echtes Großmodell. Die Maschine flog. Sogar recht gut. Aber beherrschen taten sie nur wenige.

Die Erbauer wollten ja auch mal ihre Kiste fliegen, wenn sie erst hoch genug war. Dass Willi schon lange Probleme mit den Augen hatte, hat er niemandem erzählt. So wurde aus einem Flug ein ständiges Rauf und Runter.

Einmal zu scharf abgefangen gab der Rumpf nach, die Flächenstreben zogen ihn weit auseinander. Wie nach einem Flakvolltreffer zerlegte sich das Modell hoch oben in der Luft. Der Motor mit Spant und Tank sauste mit zunehmender Geschwindigkeit auf´s Nachbarfeld zu. Zig Einzelteile, Flächen, Ruder, Leitwerksteile und viele nicht identifizierbare Teile taumelten auf den Boden zu.

Inmitten der Trümmer öffneten sich dann 6 bunte Fallschirme und segelten dem Platz entgegen.

Eine filmreife Nummer war das. Nur gefilmt hatte sie keiner. Und mit der Wiederholung war das so eine Sache.

Von 1986 bis 88 hatte Josef ein Abonnement auf die oberste Stufe. Von da an wurde aus der Fahrt nach Kirberg ein Vereinsausflug.

Georg Schlinkert stattete gleich seine ganze Familie mit Springern aus. Die Schirme wurden gekauft, einige Springer selbst gebaut. Es war gar nicht so einfach, einen Springerkombi selbst zu nähen. Ein Kleid oder Kittel war da viel einfacher. Ein Springer erhielt weibliche Konturen und schon stand sie da: „Eulalie, die springende Krankenschwester.“ Nicht zu verwechseln mit dem „Flying-Doctor-Service“, den gibt´s woanders.

Insgesamt 18 MFC-Mitglieder hatten einen Springer, 13 nahmen an Wettbewerben teil.

Zwei Jungs aus Bayern hatten unser Treiben seit 85 genau verfolgt, auch einen GFK-Springer gebaut und einen ganz neuen Schirm entworfen. Jürgen Vollmann war Soldat der Bundeswehr und aktiver Fallschirmspringer.

Er nähte die Schirme und baute den ersten Springer. Alfred Brenzing konnte mit Harz und Glasgewebe umgehen, baute Voll-GFK-Springer und von 1989 bis 1994 wechselten die beiden sich auf Platz eins ab.

Ihre Schirme waren präzise steuerbar und gut abzubremsen.

Mit einer neuen Taktik verblüfften sie die anderen Teilnehmer. Der Punkt wurde in 10 Metern Höhe angeflogen, der Schirm bis zum Stillstand abgebremst und mit geringsten Korrekturen auf den Nullpunkt abgesenkt.

Schirme und GFK-Springer wurden in einer kleinen Serie gebaut und verkauft. So kamen viele andere Teilnehmer zu guten Schirmen und Springern.

Josef und ich waren noch ein paarmal unter den ersten Zehn und so dauerte es nicht lange bis der DMFV Josef für seine herausragenden Erfolge mit der „Goldenen Leistungsnadel“ auszeichnete. Ganz soweit habe ich es nicht geschafft, aber die Urkunde für die silberne Nadel hängt auf meiner Bastelbude.

Es war schon im Juni 92 gewesen. Alex Frisch, der Wilgabauer, hatte angerufen.

Der ZDF-Fernsehgarten hatte Wind vom Modellfallschirmspringen bekommen und wir sollten da mitmachen.

Na denn. Wilga, Benzin, Springer, ein T-Shirt zum Wechseln, die Zahnbürste, alles in das Auto gestopft und schon ging´s nach Mainz. Alex war schon da und wir haben erst mal alles begutachtet. Der Start sollt von einem sehr schrägen Ackerrandstreifen aus erfolgen. Der Bauer hatte das meiste Grünzeugs abgemäht.

Auf der relativ kleinen runden Aktionsfläche sollten die Springer landen. Wir schauten uns um und entgeistert an: Rundum alles zugebaut mit glasüberdachten Bühnen, Fahnenmasten, Lichtmasten und Bäumen. Kurze Besprechung mit Ilona Christensen und los ging´s.

Die Probe war ein voller Erfolg und alle doch sehr erleichtert. Am Sonntag dann schlechtes Wetter, Zeitverzögerungen im Programm und kein Auftritt. Trotzdem ein Erlebnis.

Auch Alfred und Jürgen schafften den Weg in´s Fernsehen. Ein Auftritt bei „Wetten dass“ in einem großen Stadion in Berlin 1999 bei Nacht, Kälte, Regen und kräftigem Wind. Das waren schon verschärfte Bedingungen. Es hat dann auch nicht so ganz wunschgemäß geklappt.

In Brilon stand ein Modellflugtag vor der Tür. Eine Attraktion musste her.

Die sollte so ablaufen: Absprung in großer Höhe, Rundschirm öffnen und mit dem Wind bis über den Platz treiben lassen. Dann die Rundkappe abwerfen, freier Fall bis kurz über dem Boden, Matratzenschirm öffnen und landen.

Die Rundkappen wurden genäht, ein ganz leichter Packsack entworfen und schon mal getestet. Der Mehrfachauslöser war ja schon vorhanden. Der Schirmabwurf sollte über die Klinken der Vorbremsung geschehen. Doch die hielten der Belastung durch eine Schirmöffnung nicht stand.

Ein Kappentrennschloss musste noch her.

Aber wie bauen? Die Lösung war dann die Schlüsselringkaskade. Funktioniert bis heute einwandfrei.

Neue Herausforderungen warteten auf uns. Kunststücke im freien Fall sollten es werden. Wenn man genau im richtigen Rhythmus die Arme nach unten und wieder zurück bewegte, schaukelte sich der Springer auf und nach wenigen Sekunden vollführte er einen Salto nach dem Anderen.

Doch damit nicht genug. Wie wär´s mit ´nem Salto um den geöffneten Schirm.

Andreas Sommer brauchte nicht lange üben und schon hatte er es raus. Sah irre aus, man stürzte aber auch schnell einmal ab.

Irgendwie schien jetzt alles ausgereizt zu sein. Viele neue Herausforderungen gab´s jetzt im Beruf und unsere Familien wollten auch mal endlich mehr von uns haben.

Erst 2011 habe ich meinen Springer „upgedatet“, der 28 Jahre alte Empfänger wurde ersetzt, neue Servos eingebaut. Mehr nicht . Einiges hatte sich in den letzten Jahren geändert. Die Anforderungen beim Zielspringen waren gestiegen, die Schirme noch besser geworden. Doch vieles ist geblieben. Die lustige Gemeinschaft der Springerpiloten, die gute Stimmung bei den Meisterschaften und auch der Spaß am Fallschirmspringen.

Noch etwas ist noch genau wie vor über 30 Jahren. Wenn der Schlepperpilot den Springer ausklinkt heißt es immer noch: „Kommt – jetzt“.

Selten hat ein FMT-Bauplan so viele Anhänger gefunden. Der „Cool-Boy“ war schon weit entwickelt mit vielen praktischen Details. Die Technik 1978: Zwei Servos.

 

Otto Schulze liegt hier im Gras vor seiner Piper J3.
Er war 1982 der Initiator der „ersten Deutschen Meisterschaft“.
Diese Meisterschaft war der Auftakt für eine rasante Entwicklung der Modellspringer.
 
Otto Schulze, Sieger der ersten DM in Kirberg.

Auf dem Bild in der ersten Reihe von links:
Norbert Kern, Dirk Weinem, Otto Schulze,
Michael Scheffner und der Bürgermeister
von Hühnfelden-Kirberg.

Otto ( links ) in Genk, Belgien, 1987.

Der Platz liegt extrem günstig, direkt zwischen Autobahn, Sportflugplatz und einem Wohngebiet.
Abstandserlass? Lärmvorschriften?
Ach, wo gibt´s denn so was?
 

Der mechanische Schirmauslöser von 1981-82.
Ab 1983 durch ein drittes Servo ersetzt.
Bevor man einen Voll-GFK-Springer fertig hat, ist
viel Vorarbeit nötig. Ur-Modell herstellen, abformen
Bohrlehre bauen, laminieren und verfeinern.
 
Auf dem Modellflugplatz in Brilon 1985.
Die Wilga von Josef, das rote Großmodell von Willi und Horst.
Am Tisch zwei Mann beim Packen der Schirme, dahinter der schnellste blaue Golf des nördlichen Sauerlandes.
 
Fünf Springerpiloten und Begleitmannschaft bei dem ersten Europa-Pokal-Springen in Chapellois, Belgien.
 
Das Großmodell von Willi und Horst 1985 in Kirberg.
Hier beladen mit 8 Springern. Kirberg ist zum „Mekka“ der Modellfallschirmspringer geworden und
eine DM auf dem Römberg ist ein ganz besonderes Highlight.
 
Ohne Norbert Kern keine Meisterschaft in Kirberg.
Viel Arbeit ist das für ihn und seine Mannschaft.
 
Und ohne Schlepper keine Absprünge.
   
Bis auf die Titelseiten haben es unsere Modelle geschafft. Im Beitrag der französischen Zeitschrift immer noch die längst veraltete Technik.
 
Das elektronische Innenleben meines Springers.
Akku, Empfänger, Fail-Save Elektronik, Öffnungsservo,
2 Armservos und die Steuerelektonik dafür, Ortungspiepser.
Mehr passt da einfach nicht hinein.
 
Springer der Generation 81. Kappentrennschloss. Springer der Generation 85.
Weil alles mit Lehren gebaut wurde, sind alle Teile beider Generationen untereinander austauschbar.
 

Ein Semi-Scale-Modell des Paracommander,
einer steuerbaren Rundkappe.
 

Der Springer von Josef Sommer mit einer
„Matratze“, einem Flächenschirm,
der ähnlich wie ein Flügel profiliert ist.
 
Juli 1992 in Mainz. Kurze Besprechung mit Ilona Christensen vom ZDF -Fernsehgarten.
Die Bedingungen waren alles andere als ideal. Man sieht es an den kritischen Blicken der Modellpiloten. Aber Spaß hatten wir trotzdem.
 
Landeanflug knapp am Bühnendach vorbei. Gelöste Stimmung nach der rundum gelungenen Generalprobe.
 
Das Springerteam um Alfred Brenzing und
Jürgen Vollmann 1999 bei „Wetten dass“ in Berlin.
Ein bunt gefleckter Himmel beim Massenabsprung
bei der 30. DM 2011 in Hühnfelden-Kirberg.

Frau Müller von der FMT-Redaktion und viele Modellflugfreunde haben mir Unterlagen und Fotos zur Verfügung gestellt. Allen gilt mein herzlicher Dank.